Antifa 2006 – Teil des Kampfes ums Ganze oder konformistische Rebellion?

Eingangsreferat von MAD Köln zur gleichnamigen Podiumsdiskussion am 20. November 2006 in Köln. Es diskutierten Vertreter der Gruppen MAD Köln und Georg-Weerth-Gesellschaft Köln .

Dass die Antifa sich an Symptomen abarbeitet; dass sie sich in einem Teilbereich abrackert der zunehmend in eine Subkultur mit eigenen Dresscodes und Lifestyle, sowie einer ganz eigenen Form der Wahrnehmung geformt wurde, darum vom Ansatz her bereits nicht fähig ist zu Kernfragen einer kommunistischen Kritik vorzudringen, das stellt spätestens seit dem Antifasommer und der danach einsetzenden innerlinken, wiederum fast nur auf Antifa-Kreise beschränkten Diskussion eine Binsenwahrheit dar.

Konsequenzen hatten diese Erkenntnisse dennoch kaum, möchte man nicht ein paar neue Floskeln in Aufrufen u.ä. unnötig aufwerten.

Gleichzeitig blieb die genannte Diskussion frühzeitig stehen, vielversprechende neue Ansätze wurden in der Mehrheit nicht beachtet. Auch die Thesen der Georg-Weerth-Gesellschaft scheuen vor den entsprechenden Schritten zurück. Dazu jedoch später mehr. Zunächst gilt es einen differenzierten Blick auf die Möglichkeiten, Notwendigkeiten, die Sinnhaftigkeit und Sinnlosigkeit antifaschistischer Politik zu werfen.

Am 8.Mai 2005 wurde die Grundproblematik antifaschistischer Politik nicht zum ersten und auch nicht zum letzten mal deutlich offengelegt, aber vielleicht am schonungslosesten. Nämlich als sich „ganz normale Deutsche“ und linksradikale AntifaschistInnen zusammentaten, um in Interessengemeinschaft mit der Polizei den Nazis ihr rechtsstaatliches Grundrecht auf Demonstrationsfreiheit streitig zu machen. Einig war man sich da mit der offiziellen Politik, ein Naziaufmarsch könne an diesem Tage nicht zugelassen werden. Natürlich handelten die zahlreichen auf der Strasse anzutreffenden Antifas aus einer anderen Motivation heraus, als das um seine Reputation besorgte „neue Deutschland“. Doch vor den Karren der bundesdeutschen Erinnerungs- & Entlastungspolitik ließ man sich trotzdem spannen, von freudig-lechzend bis kritisch-distanziert.

Der Großteil der radikalen Linken distanzierte sich rasch, so habe man das nicht gewollt. Die Frage warum das alles aber überhaupt passieren konnte verhallte ungehört. Man war mehr damit beschäftigt sich entweder neue Parolen, Termine und Themen zu suchen die nicht im Interessenbereich dieses geläuterten und „antifaschistischen“ Deutschlands lagen oder man verwies auf die Verlogenheit der Antifa-Bundes-Politik, um beherzt wie immer weitermachen zu können.

Ein Sprecher der Antifaschistischen Linken Berlin (ALB) tat in der linksbürgerlichen taz gar kund, dass Wowereit und der Berliner Senat im Allgemeinen keine „konsequenten Antifaschisten“ seien. Eine banale Erkenntnis, die für die eigene Legitimation aber unerlässlich ist.

Genau andersherum wollten es nun einige mit besonders radikalem Gestus ausgestattete Gruppen und Personen wissen. Selbstsicher verkündete man, der Staat sei immer noch die beste Antifa und habe ein vitales Interesse daran Nazibanden und ähnliche Umtriebe zu beseitigen. Aufgrund seines Gewaltmonopols werde er dort ganze Arbeit leisten, die Nazis seien zudem keine Avantgarde mehr, sondern hinken den gesellschaftlichen Entwicklungen hinterher.

Man zieht aus der richtigen Erkenntnis, nämlich der, dass der Ansatz Antifa nicht fähig ist Ursachen zu beseitigen, die zynische Schlussfolgerung, nur der Staat könne es richten und dieser habe ein Interesse daran. Damit fällt man sogar hinter den Erkenntnisstand derjenigen Antifas zurück die immerhin bereits erkannt hatten, dass sich der Staat jederzeit an die Spitze einer antifaschistischen Bewegung setze könne, wenn es in seinem Interesse sei. Staatstragender Antifaschismus also, der sich für einen bedeutenden Teil bald zum Dauerfall mausern sollte.

Diese Antifas waren zumindest noch willens und fähig, das offizielle antifaschistische Engagement vor allem als Entschuldungs- und Entproblematisierungs-Unternehmen Deutschlands zu erkennen, welches vorrangig darum bemüht ist die neue deutsche Bewältigungspolitik außenwirksam zu inszenieren.

In diese Außenwirkung wurden die linken Antifaschisten dankend mit einbezogen. (Pressespiegel insbesondere im Ausland, linke Analysen keine Chance). Mitmachen wollten sie bei diesem Manöver nicht, in der Lage zu erkennen wie man da hineingeraten sei, waren sie aber ebenfalls nicht und so blieben sie bei ihrem verbalradikalen Antifaschismus.

Auch aktuell wird antifaschistische Politik entweder weiterhin auf die Neonazis forciert, oftmals nicht ohne ein paar nichts sagende Floskeln anzuhängen, die irgendeinen ominösen Zusammenhang zwischen der extremen Rechten und der kapitalistischen Vergesellschaftung herstellen sollen.

Oder man dreht die Medaille einfach um: die Gesellschaft wird zum Übel - soweit so richtig-, in der die Nazis keine Rolle mehr spielen würden und deren klägliche Reste vom Staat bald hinweggefegt würden - soweit so falsch -. KommunistInnen hätten sich also auf andere Art und Weise zu betätigen.

Um unsere Position diesbezüglich zu verdeutlichen plädieren wir aber vor allem zuerst für die Unterscheidung von NS-Tabu Zonen und National-Befreite-Zonen (Kurz NBZ) / bzw. NBZ ähnliche Zonen.


Fall
a) Die NS Tabu Zone:

Der NS ist als politische Option aufgrund seiner Historie undenkbar geworden, die rechten Parteien taugen noch nicht einmal als Protestparteien (letzte Landtagswahl in NRW <1%) und revisionistische und rechte Positionen etablieren sich gerade über die Ablehnung der bekennenden Nationalsozialisten und des historischen Nationalsozialismus. Direkt gegen Nazis vorzugehen ist in solchen Regionen, zu denen man Köln sicherlich zählen kann, nicht mehr als ein Freizeitspaß. Der Staat vermag durch das „Ausschalten“ einzelner Führungsköpfe (Bsp. Axel Reitz für ganz NRW) ganze Strukturen lahm zu legen, die sich im Weiteren nur langsam oder gar nicht mehr davon erholen. Die Aktionen der Nazis wirken kaum in die Gesellschaft hinein, sie hinken der gesellschaftlichen Entwicklung hinterher.

Kritik & Polemik statt Antifa ist hier durchaus angebracht.


Fall
b) Die National befreite Zone, kurz NBZ:

Der NS stellt für nicht unbedeutende Teile der Bevölkerung eine wirkliche Option dar (hierzu aktuelle Studie), die Wahlerfolge der NPD sind mehr als der Ausdruck einer Protestwahl oder des sozialen Abstiegs. Ganze Landstriche werden von Nazibanden kontrolliert, die Nazis stellen weder eine Avantgarde dar, noch sind sie hoffnungslos abgehängt. Dort stellen sie eine politische Fraktion dar, deren Thesen ernsthaft verhandelt werden und auch erfolgreich in die Gesellschaft einsickern, egal wie oft Parlamentarier in den Landtagen und den Kommunen noch den Saal verlassen, wenn NPD-Abgeordnete zur Rede ansetzen.

Antifaschistische Arbeit und zwar Antifaschismus in dem Sinne, dass rechte Strukturen aufgedeckt und bekämpft werden, Nazibanden angegangen und eine Sensibilisierung für Xenophobien und Nationalismus gerade unter Jugendlichen erreicht werden, diese antifaschistische Arbeit kann und ist dort (NBZ) erfolgreich. Es macht eben doch einen Unterschied ob Nazibanden durch Ortschaften marodieren oder ob sie es nicht tun. Es macht einen Unterschied ob man Kritik und Polemik nur in seinen eigenen vier Wänden äußern kann, oder ob es möglich ist ohne Gefahr für die eigene körperliche Unversehrtheit z.B. Podiumsdiskussionen anzuberaumen.

Der Hinweis, man möge aus solchen Regionen einfach wegziehen oder auf die Polizei vertrauen mag zwar gut gemeint sein, ist für die betroffenen vor Ort oft wenig hilfreich. Der Staat, seine Exekutive und Judikative sind vielfach weder fähig noch willens, diese rechten Strukturen auszuschalten.

Aktuelle Beispiele dafür lassen sich nur allzu häufig finden – beispielhaft seien 2 der jüngsten Vorfalle genannt: Der Übergriff auf eine ARD-TV-Journalistin in Blankenfelde am 4. November, sowie die weiterhin brisante Situation in der Stadt Pirna. Es grenzt daher an Realitätsverlust allein auf den Staat vertrauen zu wollen. Man scheint auf die Geschichtspolitik der BRD selber hereingefallen zu sein.

Natürlich stellt auch jener reine Abwehr-Antifaschismus, der weder hofft über diesen Widerspruch auf den gesamten Kapitalismus zielen zu können, noch die Möglichkeit einer Neubelebung des NS betont, keine ernstzunehmende Möglichkeit dar (der NS wird in seiner historischen Form in Dtld. auf lange Sicht nicht wieder einführbar sein). Dieser reine Abwehr-Antifaschismus kann stellenweise aber eine Notwendigkeit darstellen, also ein notwendiges Übel. Wer sich über den emanzipatorischen Charakter von Antifa-Politik keine Illusionen macht, kann somit erst einen Handlungsspielraum für Kritik und Polemik, wie von der GWG gewünscht, schaffen. Wir plädieren also dafür, sich immer dann wenn es notwendig ist, auch einmal die Finger schmutzig zu machen.

Der Hauptkritikpunkt an der Antifa, sowie fast allen kommunistischen Bestrebungen, liegt für uns aber woanders, nämlich in ihrer Bereitschaft Politik zu machen, ihr eigenes Handeln als politisch zu verstehen und den Spielregeln der Politik zu folgen.

Auch wir müssen uns selbstkritisch eingestehen in der Vergangenheit diesen Regeln vielmals gefolgt zu sein. Demnach spiegeln die folgenden Ausführungen unseren aktuellen Diskussionsstand wieder, an den wir selbst unsere künftige Arbeit anlehnen möchten.

Die Kritik der Politik ist an sich nichts neues, sie findet sich in Ansätzen beim (jungen) Marx und wurde auch in die nun bereits seit einigen Jahren laufenden Antifadebatte eingebracht. Dort flammte kurz eine heftige Debatte auf, bevor diese einfach abbrach und man sich stattdessen auf die Suche nach neuen Themenfeldern, neuem Vokabular begab und die Abgrenzung zum bürgerlichen Antifaschismus suchte.

Bei all diesen Versuchen blieb immer ein Grundfehler vorhanden, die Bereitschaft und auch das Selbstverständnis „Politik zu machen“. Dem voraus geht ein oftmals falsches Verständnis von Politik innerhalb der radikalen Linken. Die Aufrechterhaltung der politischen, ökonomischen, sozialen und kulturellen Macht ist eben nicht nur ein Aspekt der Politik, dem man eine andere Politik entgegenstellen könnte, sondern deren zentrales Element.

Bisher beschränkt man sich so auf eine Kritik der bürgerlichen Politik, statt die Politik im Ganzen in Frage zu stellen. Eine wirkliche gesellschaftliche Emanzipation strebt aber die Abschaffung der Politik an. Zu schaffen wäre demnach "eine Öffentlichkeit ohne politischen Charakter, das heißt eine Öffentlichkeit ohne Herrschafts-Strukturen", wie Johannes Agnoli es ausdrückte.

Um innerhalb des eng gesteckten Rahmens der Politik eine Überwindung der Verhältnisse zu erreichen, begab man – die Linke - sich auf die ständige Suche nach dem revolutionären Subjekt. Von dem proletarischen Arbeiter, über die MigrantInnen, die Antifa bis nun zum Prekariat saß man dabei immer der falschen Annahme auf, es gebe Widersprüche die man nur soweit zuspitzen müsse, dass sie zur Überwindung des Kapitalismus führten. Es gibt aber keine über das System hinausweisenden Widersprüche. Es sind Widersprüche innerhalb dieser Gesellschaft, welche nicht auf eine kommunistische Gesellschaft verweisen können.

Sie können vielmehr nur innerhalb dieses Systems gelöst werden, was die radikale Linke oftmals bitter erfahren musste. Ihre vermeintlich radikalen Forderungen wurden etwas zurechtgestutzt und forcierten die systemimmanente „Lösung“ des jeweiligen Widerspruches bzw. Problems.

Das Geschäft der Politik zu betreiben, egal mit welchen Inhalten, bedeutet immer ein konstruktives Mitmachen.

Ob dies nun intendiert ist oder von den Akteuren das genaue Gegenteil angestrebt wird, es wird sich auf die Institutionen der Macht eingelassen, oftmals gar in verschiedener Form an diese appelliert. Dieses endet dann entweder in Frustration und dem Rückzug, oder bei der Sozialdemokratie. Beides kann man auch aktuell wieder hervorragend beobachten. Zahlreiche Gruppen, oftmals dem Post-Antifa Spektrum zuzurechnen, lösen sich auf und die Teile der radikalen Linken, welche die sogenannte „soziale Frage“ neu beleben wollten, sind bei der Linkspartei oder attac angekommen.

Was ist aber nun die Kritik der Politik, was unterscheidet die Kritik von der Politik?

Staatliche und gesellschaftliche Institutionen und Konventionen setzen auch den Rahmen für linke Politik. So folgt man diesen Formen, veranstaltet Demos, hält Bündnistreffen ab und appelliert an gesellschaftliche Gruppen, seine eigene Klientel und gelegentlich auch an Kommunen oder gleich an den Staat.

Seine eigene Meinung versucht man in propagandistischer Form an die Leute zu bringen oder wie man es passender auch nennt, zu verkaufen. Denn auch die Politik folgt der Warenform, politische Vorstellungen gilt es an Mann und Frau, die VerbraucherInnen zu bringen. Um einen möglichst großen Erfolg zu erzielen, sollten die dargebotenen Gaben weitesgehend konstruktiv sein; verhandelbar, also in diesem System verhandelbar und damit nicht systemgefährdend.

Die Kritik wiederum will und muss destruktiv sein, sie macht keine konkreten Verbesserungsvorschläge, sie appelliert nicht an den Staat und seine Akteure, sie lässt sich nicht auf das Spiel der Politik ein. Sie postuliert vielmehr eine Kritik der Politik, denn in ihr ist die Negation der staatlichen Herrschaft nicht möglich.

Es gilt Fragen aufzuwerfen und ein kritisches Bewusstsein zu fördern. Dazu sollte man wieder den Mut aufbringen, so pessimistisch zu sein um sich einzugestehen, dass die Gesellschaft komplett als das Unwahre zu begreifen ist und sich Veränderungen nicht durch Teilpraxen erreichen lassen.

Postuliert man diese Forderungen, wird schnell der Vorwurf laut, man wolle sich in seinen theoretischen Lesekreis zurückziehen, sich den Philosophenmarotten hingeben, die schon Marx kritisierte. Auch wenn ein Lesekreis sicherlich kein anzuprangerndes Vorhaben darstellt, so meint die Kritik der Politik nicht die Aufgabe jeglicher Praxis. Doch diese Praxis hat neue Methoden zu finden, das eigene Handeln zu ändern und jegliche Praxis dahingehend zu prüfen, dass sie der Forderung Marx´ eine „rücksichtlose Kritik alles Bestehenden“ zu formulieren standhält. Konkret gesagt also keine politischen Forderungen enthält, sondern im besten Sinne subversiv ist.

Ebenso zynisch wäre es auch, jegliche konkrete Verbesserung mit dem Verweis auf ihren politischen Charakter abzulehnen. Natürlich ist das Leid dieser Welt zu lindern. Daß Antifaarbeit durchaus sinnvoll sein kann, haben wir bereits ausgeführt. Nur darf sich eine Linke nicht mehr der Illusion hingeben, die Gesellschaft wäre so in Frage zu stellen, wenn man mit möglichst unfairen Mitteln den Kontakt zu Nazis sucht. Die Gesellschaft kann nur in ihrer Totalität in Frage gestellt werden. Ein Eingreifen in gesellschaftsimmanente Widersprüche bedeutet immer zugleich eine Reproduktion dieser Gesellschaft mit dem dann darin verbesserten sozialen Verhältnis.

Auch die GWG hat nun Kritik und Polemik eingefordert, betreibt ihre Kritik aber weiterhin im Rahmen der Politik. So will man sich ebenfalls seine Ohnmacht nicht eingestehen und greift z.B. in bester NGO Manier zum Werkzeug der Petition, einer Petition zur Abschaffung des Paragraphen 166 StGB, die sich direkt an den Staat richtet. Kritik in solcher Form stellt unseres Erachtens ebenfalls nichts weiter als eine konformistische Rebellion dar.

Möchte die radikale Linke also nicht weiter ihrem Niedergang zuschauen, sollte nicht eine Wiederbelebung des Politischen oder die Rettung der Politik auf der Tagesordnung stehen, sondern ihre Abschaffung. Die dazu vorhandenen Ansätze gilt es zu vertiefen und weiter zu entwickeln, sonst wird konformistische Rebellion, egal ob in Form der Antifa, der Überflüssigen oder der Antiglobalisierungsbewegung zum Dauerzustand.

Wenn man seine Analyse also erst nimmt, so bleibt schlussendlich nur eine mögliche Praxis, die daraus erfolgt, deren Ziel es ist diese Gesellschaft abzuschaffen. "Kritik ist, das in Begriffe zu fassen, was abzuschaffen wäre."


MAD Köln

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