Referat der Georg-Weerth-Gesellschaft Köln zur Veranstal-tung „Antifa und Massenansatz“ am 16.10.2003

„Das in vielen Fällen vorerst äußerst diffus geäußerte Unwohlsein über die eigene Existenz und konkrete Erfahrungen mit der kapitalistischen Realität spielten und spielen in bürgerlich-industrialisierten Gesellschaften eine wichtige Rolle zur Politisierung und letztlich Radikalisierung von Massen.“ Soweit die Antifa K in ihrer Positionsbestimmung. Wer diese jedoch kennt, Flugblätter (bzw. Aufkleber) von ihr gelesen oder sogar Demonstrationen miterlebt hat, kann sich schon denken, dass dieser eigentlich richtige Satz nicht etwa Teil einer Kritik des Massenansatzes, wie sie hier im weiteren Verlauf der Veranstaltung geleistet werden soll, ist, sondern Teil einer Propaganda, die sich eben jener ressentimentgeladenen Masse anbiedern möchte. So fordert die Antifa K im Folgenden nicht einmal trotz, sondern wegen der obigen Feststellung, dass man „für Menschen in einer solchen Situation sichtbar und ansprechbar“ sein solle, ja sogar, dass „linksradikale Politik (…) innerhalb (potentieller) Bewegungen und damit auch innerhalb der Gesellschaft wirken“ müsse, um „erfolgreich“ zu sein. Kurz darauf wird dann auch klar gemacht, welche „Erfahrungen und Ziele der Antifa-Bewegung“ brauchbar sind, um „erfolgreich“ zu sein: „Öffentliches Auftreten, Attraktivität, ‚mehr werden’ und aktive Jugendarbeit“. Die Tatsache, dass bei diesen „Erfahrungen und Zielen“, die genauso gut die des ADAC, der katholischen Kirche oder jeder faschistischen Bewegung sein könnten, nichts von einer Gegnerschaft zum Faschismus zu finden ist, beruht nicht einmal nur darauf, dass diese der Antifa K nicht mehr so wichtig ist, sondern ist notwendig für andere Teile des Selbstverständnisses. So darf man an anderer Stelle lesen, dass sich trotz der „Feststellung, dass sich innerhalb der (Antiglobalisierungs-, d. Verf.) Bewegung alle möglichen Gruppen wohl fühlen bis hin zu den Faschisten (…) sich an der (…) positiven Grundeinschätzung der Bewegung unserer Meinung nach wenig geändert (hat)“.

Wenn man nun schon so tolerant ist, sich seine „positive Grundeinschätzung“ nicht durch die Nazis in den eigenen Reihen verderben zu lassen, macht man sich im Folgenden auch noch deren Ziele zu eigen, nämlich „Inhalte (der Antiglobalisierungsbewegung, d. Verf.) zu radikalisieren und eine Art 'rebellisches Bewusstsein’ mit anzuschieben“ (zu diesem „rebellischen Bewusstsein“ gleich mehr). Die praktische Umsetzung dieses Vorhabens sah in der Vergangenheit dann so aus, dass z. B. am 12. April dieses Jahres, drei Tage nach der Befreiung Bagdads, die Antifa K zusammen mit ihren Bündnispartnern, die von Attac bis zu jenen Nazis reichten, die auf eine antifaschistische Gegendemo am Amerikahaus mit „Juden raus“-Rufen reagierten, für einen Abzug der US-Truppen aus dem Irak und somit für die Reetablierung des faschistischen Normalzustandes und den damit einher gehenden tausendfachen Mord demonstrierte. Die endgültige Regression ihrer „Anti-Naziarbeit“ zur bloßen Konkurrenz bewies die Antifa K schließlich genau drei Monate später: Unter dem Motto „Rückt unser Geld raus“ rief sie zu einer Demonstration im Kölner Villenviertel Marienburg auf. Nachdem ein Redner klargestellt hatte, dass „hier die Leute wohnen, denen die Stadt unser Geld gibt“ und dass das die gleichen Leute seien, „die vom Krieg profitieren“, kurz also die Raffenden, zog der Mob mit der Losung „Wir wollen eure Häuser, wir wollen euer Geld“ durch die Marienburger Straßen und wieder einmal wurden die Antifaschisten, die Flugblätter gegen den unheimlichen Aufmarsch verteilten, beschimpft und bedroht.

Heribert Schiedel beschreibt dieses Phänomen, das schon über bloßen Sozialneid hinaus geht, sehr treffend in seinem Beitrag „Gemeinschaftsbildung und Verfolgungswahn“, der in dem Buch „Transformation des Postnazismus“ erschienen ist: „Je ausgeprägter die Volksgemeinschaft oder die Sehnsucht nach ihr und je geringer die Bereitschaft, sich mit der sozialen Macht anzulegen, desto größer der Hass auf die Nicht-Identischen. Als Ersatzobjekte ziehen sie sich die soziale Aggression, die sich in der Volksgemeinschaft nicht anders artikulieren kann und darf, zu. Während sich der autoritäre Moment dieser Aggression gegen Migranten und Migrantinnen richtet, zielt der rebellische auf Juden und Jüdinnen oder Politbonzen und Bürokraten. Letztere nennt Adorno den 'gerade greifbaren Ersatz für das eigentliche Hassobjekt, die Juden.’ (GS Bd. 9.1, dt. 1995, 124)“ (Schiedel, H.: Gemeinschaftsbildung und Verfolgungswahn, erschienen in Grigat, S. (Hg.): Transformation des Postnazismus, Freiburg 2003, 139).

Nun gibt es Leute, die dieser Kritik zwar zumindest teilweise zustimmen, dieser aber eine angeblich gute Anti-Nazi-Arbeit der Antifa K entgegensetzen wollen. Es ist jedoch nicht nur so, dass, selbst wenn es diese gute Anti-Nazi-Arbeit (im Sinne von der Verhinderung von Demonstrationen etc.) gäbe, eine Kritik an den vielen inhaltlichen Gemeinsamkeiten mit den erklärten Gegnern allemal sinnvoll wäre; bei der Antifa K ist die Anti-Nazi-Arbeit aber bestenfalls miserabel, zum Teil schlägt sie sogar in ihr Gegenteil um. Z. B. demonstriert die Antifa K lieber mit statt gegen die Nationalsozialisten von Kein Blut für Öl oder ignoriert deren bis vor einigen Monaten regelmäßige Aufmärsche bestenfalls. Um aber doch ein klares Feindbild in Köln zu haben, verpasst sie keine Gelegenheit, die rassistische Bürgerbewegung Pro Köln in eine Nazi-Partei umzulügen, die sie nicht ist, und den Nationalsozialismus damit um sein zentrales Element, den Antisemitismus (welcher eben bei Pro Köln nicht im Vordergrund steht), zu verkürzen und somit zu verharmlosen. Wenn die Antifa K dann doch einmal, wie zuletzt während des Antirassistischen Grenzcamps gegen einen der Naziaufmärsche in Köln demonstriert, kommt ihre „Kritik“ nicht über ein „Köln stellt sich quer! Zeigen wir den Nazis, dass sie in irgend einem bestimmten Stadtteil nichts zu suchen haben!“ hinaus und die Kölner Bürger, das revolutionäre Subjekt der Antifa K, an welches stets appelliert wird, halten sich dann doch lieber an die Devise „Jeder Jeck ist anders“, als sich den Nazis entgegen zu stellen. Aber dessen ungeachtet wird die sich selbst „Pop-Antifa“ nennende Antifa K weiter fleißig Aufkleber kleben, „Nazis raus!“ rufen und die angesagteste Musik spielen, wenn die so genannten „Nazis“ von Pro Köln sich das nächste Mal daran machen, irgendwo in Köln „das friedliche Zusammenleben von deutschen und ausländischen Bürgern zu zerstören“ (Bündnisaufruf: 15.3.2003 - Naziaufmärsche in Köln verhindern).


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