Nationalsozialismus, Rechtspopulismus, postnazistische Demokratie
Anmerkungen zum Protest gegen den „Anti-Islamisierungs-kongress“
Einleitung zur Veranstaltung „Gemeinsam gegen Nazis!“ mit Sären Pünjer am 18. September 2008

Bevor Sören mit seinen Ausführungen beginnen wird, möchte ich Euch noch einige Beobachtungen darlegen, die wir angesichts der Vorbereitungen zu den Protesten gegen den Anti-Islamisierungskongress machten. Ganz erstaunlich ist nämlich die Abwesenheit des Nationalsozialismus und der Shoah in den Diskussionen über Rechtspopulismus und Neonazis. Es scheint sich von selbst zu verstehen, dass eine Neuauflage des Nationalsozialismus ausschließlich von Seiten Pro Kölns und Co. droht. Dass diese aber eine Position vertreten, die – wie an diesem Wochenende zu beobachten ist – in Deutschland nicht mehrheitsfähig ist, wird verschwiegen. Und auch was Pro Köln tatsächlich mit dem Nationalsozialismus gemein hat, nämlich dass es sich um eine Partei handelt, die Staats-unmittelbarkeit und direkte Demokratie zur Leitvorstellung erkoren hat und damit eine Art Avantgarde des demokratischen Faschismus darstellt, das wird in den verschiedenen Debatten überhaupt nicht thematisiert. Das hat seinen Grund: Wer auf dem Standpunkt der postnazistischen Demokratie steht, der sägte sich den Ast, auf dem er sitzt, ab, wenn er die Kritik an Pro Köln allzu radikal betriebe. Ein Beispiel dafür ist Prof. Dr. Karin Priester von der Universität Münster, die letztes Wochenende auf der Fachtagung mit dem Titel „Feindbild Islam“, die in der Kölner Volkshochschule stattfand, die These vertrat, Pro Köln wolle nur scheinbar mehr Bürgerbeteiligung und mehr Demokratie – in Wahrheit handele es sich bei Pro Köln um eine antidemokratische Bewegung. Diese Aussage würde nur dann stimmen, wenn Frau Priester mit Demokratie nicht – wie Pro Köln auch – „Basisdemokratie“ und „Volksherrschaft“ meinen würde, sondern ein republikanisches Repräsentationssystem – also eine Form vermittelter und damit zivilisierter Herrschaft. Letzteres aber hat sie als gute Linke nicht im Sinn. So faselte sie von einem „Repräsentationsdefizit“ und davon, dass die Nazis eine Alarmfunktion im politischen System innehätten. Dass Rassisten und Antisemiten am besten gar nicht repräsentiert, sondern zum Schweigen gebracht werden sollten, kann eine, die jeden in den Herrschaftsprozess einbinden will, nicht verstehen. Nichts hat Frau Priester, die übrigens auch Referentin beim Antifakongress „Feel the Difference!“ war, verstanden vom nationalsozialistischen Unwesen, da helfen auch zwanzig Jahre Beschäftigung mit dem Rechtsextremismus nichts. Weil sie Pro Köln – Zitat – „rechts von der CDU und links von der NPD“ verortete, kann eine wie sie auch niemals herausfinden, was eigentlich der Unterschied zwischen CDU und NPD ist. Als gute Sozialdemokratin schweigt sie sich über nazistische Tendenzen in der SPD und in der Linkspartei aus – ich erinnere nur an Lafontaines „Fremdarbeiter“-Rede und an Münteferings „Heuschrecken“ – und denunziert jedes CDU-Mitglied als latenten Nazi. Antifaschismus ist für Ideologen wie Priester nichts weiter als ein Wahlkampfmanöver, das den politischen Gegner dämonisieren soll. Mit einer kritischen Auseinandersetzung hat das nichts zu tun.  Je mehr Antifaschisten wie Priester von den Nazis reden, desto unfähiger sind sie zur Kritik des Rechtspopulismus.

Eine solche Kritik würde aber nicht nur die Gemeinsamkeiten von NSdAP und Pro Köln überhaupt erst einmal benennen, sondern auch deren Unterschiede. Diese Unterschiede sind zunächst einmal in völlig veränderten gesellschaftlichen Rahmenbedingungen zu verorten. Pro Köln gelingt es zwar, eine Minderheit von Bürgern zeitweilig als passive Schwungmasse mitzuziehen, aber jeder weiß, dass das Angebot von Manfred Rouhs – die Schaffung einer Volksgemeinschaft – auf absehbare Zeit ein reiner Nepp ist. Zu groß sind nicht nur die Widerstände in der politischen Klasse, sondern auch in der Bevölkerung, die sich die alltägliche Sorge um den Verkauf ihrer Ware Arbeitskraft nicht mehr durch eine mordende und brandschatzende Massenbewegung abnehmen lassen will, sondern durch den von einem gerechten und treu sorgenden Sozialstaat abgesicherten Arbeitsmarkt.

Der staatsbürgerliche Antifaschismus, der in den nächsten Tagen in Köln zu erleben sein wird, ist nicht ausschließlich ein Projekt der Regierung, sondern hat längst schon die Massen ergriffen, die die Nazis als Volksfeinde zu identifizieren gelernt haben und – wenn nicht gerade eine Massenkundgebung auf dem Heumarkt ansteht – am liebsten vor dem Fernseher dabei zuschauen, wenn braune Schlägertypen in schwedischen Krimis oder deutschen Gerichtssendungen abgestraft werden. Insofern die sekundäre Volksgemeinschaft eine atomisierte und privatisierte ist, die weitgehend ohne Massenveranstaltungen und Führer auskommt, stiften die Medien den volksgemeinschaftlichen Zusammenhalt. Fernsehen und Internet, weniger das Radio, stiften die Einheit der atomisierten Einzelnen, deren Begehren vom politischen Personal und ihren Verlautbarungsorganen erkannt und in die richtigen, also dem Wohle der Nation dienenden Bahnen gelenkt werden muss. Das so häufig bemühte „Gemeinwohl“ bringt den volksgemeinschaftlichen Antiindividualismus auf den Punkt. Gemeinsinn habe immer noch vor dem Eigennutz zu gehen, die nationale Gemeinschaft müsse sich vor egoistischen und volksfremden Schmarotzern schützen. Insofern steht Pro Köln nicht alleine da, wenn sie gegen „Scheinasylanten“ und „Sozialbetrüger“ hetzt und die sofortige Abschiebung von kriminellen Ausländern fordert. All diese Forderungen, die zu Recht als „populistisch“ klassifiziert werden, sind eingebettet in einen Diskurs, der die Einheit von Volk und Staat zur Voraussetzung sowie gleichzeitig zum Zweck hat. Bereits im Nationalsozialismus war Hitlers Funktion als Führer nicht durch sein kärgliches und lächerliches Äußerliches begründet, auch nicht so sehr durch die Fülle materieller Macht, die er innehatte, sondern in erster Linie durch seine Fähigkeit, dem Ich-Ideal der Deutschen nachzuspüren, es aufzugreifen und es zu radikalisieren. Die noch lange nach 1945 beliebte Wendung „Wenn das der Führer wüsste“ macht deutlich, dass dieses Ich-Ideal, das sich tagtäglich im nationalen „Wir“ Ausdruck verschafft, nicht gebrochen wurde, sondern die Kontinuität zwischen Nationalsozialismus und postnazistischer Demokratie bildet. Heute braucht es keinen Führer mehr, obwohl sich die Deutschen ständig solche Miniaturhitler suchen und sie nach einiger Zeit wieder enttäuscht fallen lassen. Die sekundäre Volksgemeinschaft funktioniert auf Zuruf. Es sind Demagogen jeglicher Couleur, die – wie Jörg Haider oder Gerhard Schröder – mit einem Augenzwinkern Intimität signalisieren und als Stichwortgeber für den Volkszorn agieren. Der Inhalt ist dabei gegenüber der Form fast gleichgültig geworden. Wichtig ist nur, dass „unsere Gemeinschaft“ gegen das von Außen wie von Innen drohende Böse verteidigt werden muss. Wer als Repräsentant dieses Bösen benannt wird, ist zweitrangig, wichtig ist der Schutz der Gemeinschaft. Aus diesem Grunde erhält Pro Köln sogar dann noch einen gewissen Zulauf, wenn sie gegen Moslems hetzt. Doch diese antiislamische Demagogie funktioniert nur, wenn die vermeintliche „Islamkritik“ gerade nicht als eine das Individuum verteidigende Kritik an einer barbarischen Gemeinschaft formuliert wird, sondern nur dann, wenn der Islam als natürliches völkisches Kollektiv konstruiert wird, das unsere Gemeinschaft zu unterminieren und zu „vermischen“ drohe. Gelingt es dagegen den Gegnern von Pro Köln, diese ihrerseits als Volksfeinde darzustellen – übrigens eine Taktik, der sich derzeit alle am Protest beteiligten Fraktionen bedienen –, so schlägt die Demagogie in eine Art Selbstbezichtigung um. Die „Islamkritik“ entpuppt sich als Rassismus und der – das weiß in Deutschland jedes Kind – ist schlecht für’s Vaterland.

Paradoxerweise ist es gerade diese Kontinuität zwischen NS und BRD, die augenblicklich verhindert, dass die Deutschen ein neues nationalsozialistisches Projekt starten. Denn die postnazistische BRD bietet ausreichend Möglichkeiten, Dampf abzulassen. Die enervierend aufeinander folgenden Kampagnen gegen Asylanten, Kampfhunde, Vergewaltiger, Kinderschänder, Steuerhinterzieher, Manager etc. pp. stiften die Substanz der sekundären Volksgemeinschaft und verhindern zugleich, dass sie wieder zu einer primären wird. Dieses momentan sich beständig reproduzierende Gleichgewicht fordert nicht nur dauernd Opfer, sondern ist natürlich zugleich auch höchst fragil. Insofern lässt sich feststellen, dass zwar ein neues Auschwitz von diesem Kollektiv aller Voraussicht nach in nächster Zukunft nicht ausgehen wird – dass man sich aber da nie ganz sicher sein kann. Die postnazistische Demokratie sitzt fest im Sattel und die marodierenden ostdeutschen Straßennazis sind beileibe kein Widerspruch dazu, sondern nur ein Ausdruck dieses Zustandes.

So wenig aber von Deutschland derzeit ein neuer Holocaust droht, so groß ist die Rolle der Deutschen bei der Verharmlosung, Hofierung und schließlich Unterstützung des islamischen Terrors. Diese Kollaboration – eigentlich müsste man sagen: Partnerschaft – mit dem Islam ist keineswegs nur durch die Logik des Profits motiviert, sondern hat ihren Grund in der frappierenden Übereinstimmung von deutscher und islamischer Ideologie. Ich nenne hier nur die Stichworte Antisemitismus, Antiamerikanismus, Gemeinschaftskult, Antiindividualismus, Opferwahn etc. So sehr die Nazis als Schmuddelkinder der Nation gelten, so sehr muss sich der antisemitische Wahn projektiv mit den islamischen Nazis verbinden. Das wurde nicht nur von Antideutschen oft thematisiert und ich will hier deshalb gar nicht allzu sehr ins Detail gehen. Auffällig ist, dass bei all dem Gerede über Nazis, Rassismus und Antisemitismus kein einziges Wort zum angekündigten Massenmord an den Juden zu hören ist. Auf der VHS-Konferenz war von einem Politologen namens Bozay sogar von einem so genannten „11. September-Syndrom“ die Rede – ganz so als sei die Angst vor dem islamischen Terror nur ein Hirngespinst. Obwohl die offene Ankündigung eines neuen Holocaust keineswegs nur aus Teheran und Beirut erschallt, sondern auch aus Paris, London und eben Köln, hält keiner der aufrechten Antifaschisten es für nötig, dagegen auch nur mal mit einem Sterbenswörtchen Stellung zu beziehen oder gar dem radikalen Islam den Kampf anzusagen. Die Parole „Kein Fußbreit der Hizbollah“ schreibt keine Antifa auf ihr Transparent, obwohl es dazu allemal Anlass gäbe. Hizbollah, Hamas, iranische Mörderbanden, Milli Görüs – sie alle tummeln sich in Deutschland wie der bekannte Fisch im Wasser und niemand nimmt daran Anstoß.

Wenn wir diese Veranstaltung unter den Titel „Gemeinsam gegen Nazis!“ gestellt haben, dann ist das als Aufruf zu verstehen, vor allem all jenen den Kampf anzusagen, die dabei sind, einen neuen Holocaust vorzubereiten: dem Teheraner Regime und seinen Fußtruppen. Das spricht nicht dagegen, den rassistischen Kongress von Pro Köln zu attackieren, es kann aber andererseits die radikale Kritik des Islam nicht ersetzen. Und ja – ich habe „des“ Islam gesagt, weil jede materialistische Kritik aufs Wesen des Gegenstandes geht, um ihn überhaupt treffen zu können. Das impliziert – ich sage das ganz schamlos – einen „Essentialismus“, denn ohne eine Bestimmung des Wesens sind überhaupt keine wahren Aussagen möglich. Der materialistische Essentialismus weiß, dass das Wesen einer Sache keineswegs ewig ist, sondern historisch geworden. Aus dieser Perspektive ist es ebenso richtig wie belanglos, dass die islamische Herrschaft im Mittelalter zeitweilig liberaler war als die christliche. Fest steht, dass heute nicht der Papst und der Chef der EKD zum Mord an den Juden aufrufen, sondern die geistigen Führer und Gelehrten der erhabenen Religion Mohammeds, wie etwa die oberste religiöse Autorität des sunnitischen Islam, Muhammad Tantawi. Selbstverständlich gibt es auch Menschen und Gruppierungen, die sich dem Islam zurechnen, die aber beispielsweise keine Judenhasser sind. Diese Leute sind jedoch nach allem was man weiß – und das richtet sich danach, welche Stimmen zu vernehmen sind – eine ohnmächtige Minderheit im Islam. Man kann diese Leute stärken wollen, um eine Reformierung des Islam zu erreichen. Man kann aber auch – und das scheint mir aus kommunistischer Perspektive sinnvoller – einräumen, dass die Mehrheit, einschließlich der Fundamentalisten, Koran und Sunna korrekt auslegt. Daraus folgt, dass sich die Kritik gegen den Islam richten muss. Damit sind, um das noch mal zu betonen, nicht alle Menschen gemeint, die sich Moslem nennen oder von anderen so genannt werden. Die Kritik richtet sich ausschließlich gegen eine barbarische Ideologie und die daraus folgende Praxis. Diese Ideologie muss bekämpft werden. Denn, um es mit F.H. Bradley zu sagen: „Where everything is bad, it’s good to know the worst.“


(18. September 2008)

Druckversion

 

top | home